Mittwoch, 9. Dezember 2009

Web 2.0-Poesie (3)

Sascha Lobo dichtet und Lisarosa rezitiert via Twitter:

"unglaubliche Renaissance der Schriftkultur, die durch das Netz bei der Jugend stattgefunden hat" Sascha Lobo http://is.gd/5gN1K
http://twitter.com/lisarosa/status/6494530834


Offensichtlich gibt es mehrere Jugenden. Ich würde Lisarosa zumindest gerne meine Klausuren zum Korrigieren senden. Ganz zu schweigen von schriftlichen Arbeiten der Schüler, die nicht den Zugang zur gymnasialen Oberstufe schaffen. Aber wahrscheinlich bin ich zu ungeduldig, weil das Netz in seiner ganzen positiven Wirksamkeit bei den Achtklässern noch nicht seine Wirkung entfalten konnten - und die 13er, bei denen war das Web2.0 ja noch nicht so richtig angesagt, als sie in der 8.Klasse waren. Bin wahrscheinlich nur zu ungeduldig. Asche auf mein Haupt. Aber Lobo sagt ja, dass es "stattgefunden hat" -- hm, ach ich hör lieber auf. Nicht so kleinlich sein, geht ja um eine große Sache .....

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Web2.0-Poesie (2)

Bei live.hackr findet sich ein lesenswerter Beitrag, der sich mit dem Unverständnis der Generation 50+ dem Internet gegenüber auseinandersetzt. Der Grundgedanke:

der grund dafür ist, dass ihnen das organ fehlt, wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden.
Lisa Rosa hat dieser Text zum Weiterdenken angeregt.
In dem wunderbaren Text von live.hackr wird darüber hinaus noch deutlich, worin das Hauptmerkmal der Informationsgesellschaft/“Lernkultur“/Wissensgesellschaft liegen wird:

Die Menschen und sozialen Systeme werden alle haben müssen, was bis jetzt nur die internet residents haben, und was denen, „die es nicht raffen“, auf jeden Fall fehlt:

der grund dafür ist, dass ihnen das organ fehlt, wichtiges von unwichtigem zu unterscheiden.


Schöne Utopie. Oder habe ich da etwas falsch verstanden? Handelt es sich etwa um eine Forderung? Also: Um an der Informations-/Wissensgesellschaft teilhaben zu können ist es erforderlich über ein entsprechendes "Organ" zu verfügen. Das hieße ja, alle anderen sind "draußen" - was sie übrigens schon immer sind.

Oder handelt es sich um eine prognostizierte "Wirkung" des "Internets"? Also: Durch das Internet und seine Nutzung wird das entsprechende "Organ" besonders geschult, so dass Internetnutzer eben kompetentere, mündigere Zeitgenossen sind. Ich befürchte, Lisa Rosa hat das so gemeint. Denn weiter ist zu lesen:

Ein Organ zur Beurteilung. Man kann es wirklich ein neues Organ nennen, das als funktionelles System im Gehirn gebildet werden muss – offenbar durch die Tätigkeit der adäquaten Nutzung des Internets.

Es gibt hier natürlich das kleine, unscheinbare "adäquat". Was immer das auch heißen mag. Ich befürchte nur, dass es gerade bei der "adäquten" Nutzung hapern wird und sich die Mehrheit einen ***** darum scheren wird, ob sie das Netz "adäqut" nutzt. Denn schon Brechts Hoffnungen bezüglich einer "adäquaten" Rundfunknutzung haben sich als schöne Utopie herausgestellt.

Fast zeitgleich zu Lisa Rosas Beitrag ist mir der lesenswerte Text Ich klicke, also bin ich: der nebulose Freiheitsbegriff der Digital Natives per Twitter anempfohlen worden - ein schöner Kontrapunkt.


Freitag, 27. November 2009

Web2.0-Poesie

Eine Gleichberechtigung an Möglichkeiten: Technologien im Unterricht - zumal die webbasierten - ermöglichen es, die sich vor allem in regionalen und sozialen Diversifizierungen äußernden Chancenunterschiede zunehmend zu nivellieren. Der Zugang zu Möglichkeiten und Gelegenheiten des Lernens wird auf eine breitere Basis gestellt und kann zwar Vielfalt schaffen aber auch eine Art Grundversorgung im Bildungsbereich.
Arne Duncan, U.S. Secretary of Education
(D21-Projektblog)


Bezogen auf die deutsche Bildungslandschaft halte ich derartige Äußerungen für blauäugige Web2.0-Poesie:

Solche Positionen werden ja gerne vertreten, um zu begründen, dass die Nutzung „des Internets“ im schulischen Rahmen dazu beiträgt, Schule zu verbessern. Allerdings geht konkret diese Äußerung von zwei Prämissen aus:

  1. ein Problem (von Schule) sind regionale und soziale Chancenunterschiede,
  2. ein Problem stellt der fehlende/ unzureichende Zugang zu Möglichkeiten und Chancen des Lernens dar.

Diese beiden Prämissen halte ich für die deutsche Schullandschaft für nicht zutreffend und daher auch die entsprechenden Schlussfolgerungen für Fortschrittsphrasen.

Die Ursachen für die Probleme, mit denen wir in der Schule zu kämpfen haben, liegen eben nicht in der fehlenden Vernetzung der Klassenzimmer.


Mittwoch, 25. November 2009

Keese-Käse

Bei Carta gerade ein Interview mit Chrisoph Keese zum Leistungsschutzrecht gelesen. Ich bin wirklich erschüttert, welche unsinnigen Forderungen von Seiten der Zeitungsverlage erhoben werden: erschüttert, weil ich seit längerem die Diskussion verfolge und es mir nicht möglich ist, die Argumentation auch nur in Ansätzen nachzuvollziehen. Das ist absoluter Bullshit - und der wird auch noch öffentlich geäußert und die Politik reagiert darauf. Unglaublich.

Hier einige Kostproben der Argumentation:
Zu wünschen aber ist, dass jeder, der sein geistiges Eigentum anbietet, von einer Wahlmöglichkeit Gebrauch machen kann: Stelle ich mein Angebot kostenlos ins Netz oder gegen Geld? Diese Wahlmöglichkeit besteht heute in Wahrheit nicht. Die realen Marktbedingungen erzwingen eine Entscheidung für „Kostenlos“ oft gegen den Willen der Verlage und Journalisten.
Was das mit Google zu tun hat, verstehe wer will.

Unter dem Druck der drohenden Netzunsichtbarkeit entscheiden sich die meisten Verlage zähneknirschend dafür, den „Gefunden- werden-Schalter“ auf ihrer Webseite nicht umzulegen, erleiden mit dieser Entscheidung jedoch zugleich einen Schaden, weil sie gezwungen sind, die Null-Beteiligungs- Strategie von Google zu akzeptieren.
"Null-Beteiligungs-Strategie"? Beteiligung woran denn? Was in aller Welt haben die Werbeerlöse von Google mit den gefragten journalistischen "Qualitätsprodukten" der deutschen Presse zu tun? Wir wollen gefunden werden und Geld dafür bekommen. Ich spare mir jetzt Beispiele aus der analogen Welt, die die Absurdität dieser Forderung zeigen - gibts schon genug.

Die Werbespalte rechts auf der Google-Seite wäre ohne Verlagsinhalte in der Suchergebnisspalte auf jeden Fall nicht so gut zu verkaufen.
Wenn es nicht so traurig wäre, durchaus für den Lacher des Tages geeignet.

Das geht das gesamte Interview so weiter - null Inhalt, selbst bei gutem Willen nicht nachvollziehbar.

Ein guter sachlicher Kommentar findet sich hier bei netzwertig.de

Freitag, 13. November 2009

Der Preis ist heiß - genau 232,78 Grad Celsius

Stau. Im Kultursender meiner Wahl läuft "Autobahn" von Kraftwerk. Ich versuche dies in der innerstädtischen konjunkturpaketbedigt verkehrsberuhigten Zone nicht als Provokation aufzufassen und konzentriere mich auf die Auslassungen des Musikjournalisten zu einer neuen Sammeledition der Elektronik-Pioniere, um mal im Kulturjournalistenslang zu bleiben. Leider lässt der Journalist nichts aus. So ist natürlich wieder die Mär zu hören, dass ohne Kraftwerk HipHop und Techno geradezu undenkbar wären (welch schöner Gedanke ). Wann untersucht mal jemand, wer diesen Mythos eigentlich in die Welt gesetzt hat. Und welche Bedingunge erfüllt sein müssen, damit sich dererlei Mythen halten. Denn nicht wenige Produkte der Kulturindustrie haben ihr Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, sind aber wie selbstverständlich in Klassikerlisten gelistet, die, vorsichtig ausgedrückt, auch mit Vorsicht zu genießen sind. So ist Fahrenheit 451 nicht nur die Temperatur, bei der ein Buch zu brennen beginnt, sondern auch ein Film, der Kategorie: viel gepriesen/ nicht zu genießen.
Mittwoch ist bei mir Kinotag: Mit Freunden, die nachwuchsbedingt nicht gemeinsam das Kino aufsuchen können, wird jede Woche digitales Bewegtbild an die Wand gebeamt: sozusagen die Wand, die die Welt bedeutet (nur weil Schiller gerade Geburtstag hat, ansonsten natürlich Quatsch). Ich muss die Filme aussuchen. Bekanntlich wächst die Schwierigkeit, sich für einen Film zu entscheiden, proportional zur Anzahl der Betrachter und so habe ich schon manche Stunde in der Videothek meines Vertrauens zugebracht, da schon die Anzahl von 4 Betrachtern einen Schwierigkeitsgrad von 7 auf einer Skala von 8 zur Folge hat. Denn einige Grundsätze konnten schon nach den ersten Kinotagen aufgestellt werden: keine amerikanischen Filme, keine Filme, die in schwarzweiß und nach 1980 gedreht wurden, insbesondere nicht mit Frauen, die auf gläsernen biergefüllten Beinen tanzen, keine französischen Filme, die im Feuilleton gelobt werden (man stellte sehr schnell fest, dass es sich dabei eher um Hörspiele mit Bildunterstützung handelt), keine Filme von, mit oder über Til Schweiger (der übrigens in Heuchelheim aufgewachsen ist). Daneben gibt es noch die Regel: nicht mit Kindern und Tieren. Da fällt natürlich schon ein Großteil der Cineastenkost weg, klar. Allerdings führte dieses Regelwerk zu einer intensiven Beschäftigung mit dem österreichischen Filmschaffen. Ein Gewinn, aber andere Geschichte.
Da die Bedienung in der Videothek wahrscheinlich schon anderes als filmkundliches Interesse ob meiner ausufernden mittwöchlichen 18-Uhr-Besuche unterstellt, war ich recht dankbar, in der Multimediaabteilung der mir freundschaftlich verbundenen Nachbarschaft eben Fahrenheit 451 zu entdecken. Das würde mir den Weg in die Videothek, zwei Euro, Entscheidungsnot und abschätzige Blicke ersparen. Aber wie heißt es so schön: Wer spart, zahlt doppelt. Oder so ähnlich. Der Aufpreis - 90 Minuten unfreiwillige Komik und vordergründige Medienkritik. Erstaunlich nur, dass der erhobene Zeigefinger die zum Zwecke der Bildprojektion verwendete Wand nicht zum Einsturz brachte. Heute kann man diesen Film eigentlich nicht mehr genießen, in jeder Hinsicht.
Aber zum Glück gibt es ja in einer meinungsoffenen Gesellschaft wie der unseren auch andere Meinungen, die sogar in Büchern nachzulesen sind:

Die Aktualität des Filmes Fahrenheit 451 von Francios Truffaut (für den Deutschunterricht)
Ja, es ist richtig, diesen Film in der Schule zu analysieren, da die Schüler ja das Klasenzimmer nicht verlassen dürfen! So wird wenigstens der "Kanon" gepflegt. Und auch die Erwartungshaltung der Schüler nicht enttäuscht, dass Lehrer eh nur vertaubtes, ungenießbares und oberpeinliches Zeug präsentieren und dabei ggf. noch begeistert von früher reden.

Die DVD von Fahrenheit 451 erschien in der SZ-Cinemathek. Diese wirbt:
Ausgewählt von der Kinoredaktion der Süddeutschen Zeitung, tragen sie die persönliche Handschrift von Filmkennern, die zusammen mit bekannten Autoren jeden einzelnen Film im Booklet vorstellen und interessante Hintergrundinformationen liefern.
http://sz-shop.sueddeutsche.de/mediathek/shop/catalog/editionen/3626.jsp


Der bekannte, Fahrenheit in höchsten Tönen lobende Autor heißt in diesem Falle übrigens Wim Wenders. Und wir haben damit nun eine weitere Regel für den Kinotag.

Montag, 9. November 2009

Demokratiefeindliches Web2.0 ?

Ich bin etwas zu spät dran, wenn ich mich heute, am 9. November, auf einen Artikel der ZEIT vom 22. Oktober beziehe. Es lohnt sich also auch nicht, weiterzulesen - eh nur Schnee von gestern. Denn nichts ist bekanntlich älter, als der gerade gesendete Tweet und die Zeitung von gestern - nicht der Rede wert.
Zur Erklärung, wie dieser verpätete Erguss zustande kommt: Ich lese die ZEIT noch ganz analog und (peinlich dies zuzugeben) auch noch die abgelegte ZEIT von Freunden. Die sind so mutig, und überlassen mir das Feuilleton zur Nachlese. Ein Glück, dass von den Verlagen noch nicht hochgerechnet wurde, welcher Schaden durch Zweitlektüre jährlich zu verbuchen ist, sonst würde sicher die Einführung von OADS (ortsabhängiger Druckerschwärze) gefordert: ein über RFID und GPS gesteuertes System, welches die Zeitung nur im Hause des Abonnenten lesbar macht. Zum Glück war das Feuilleton vom 22.10. auch an meinem Frühstückstisch lesbar und damit auch Adam Soboczynskis "Höfische Gesellschaft 2.0". Worum gehts? Soboczynski geht davon aus, dass die Entwicklung des Web2.0, insbesondere die der der sozialen Netzwerke, zu einer gesellschaftlichen Umwälzung führt, einer "Revolution leiser Natur", wie es schon einige in der Geschichte gab, so beispielsweise die Aufklärung. In der Abgrenzung zum höfischen Leben führte die Aufklärung zur Betonung des Privaten und zur Formulierung entsprechender antihöfischer Moralvorstellungen. Die derzeitige Webzweinullisierung des Lebens führe nun wieder zu Verhaltensweisen und Wertvorstellungen, die in der Aufklärung überwunden schienen, nun aber in der "Höfischen Gesellschaft 2.0" fröhliche Urstände feiern. Kling erst einmal recht weit hergeholt, ist aber erstaunlich erhellend. Welche "höfischen" Maximen bemüht Soboczynski nun? Da wären: Sei witzig! Sei präsent! Langweile nicht! Kurz: "Wer schweigt, zählt nicht."
Zudem - und hier wirds dann noch interessanter - spricht er dem WEB2.0 die vielbeschworene Demokratiefreundlichkeit schlichtweg ab und bezeichnet dies als "Teil eines utopistischen Verblendungszusammenhangs".
Im Juni 2008 antwortet Sascha Lobo auf die Frage "Was ist das Netz" mit recht blumigen Nichtigkeiten, was mich damals schon zu einer knappen Polemik animierte. In diesen Zusammenhang gab es dann auch ein kurzes Telefon-Interview von Deutschlandradio mit mir, in dem ich vorgab, wahrscheinlich zu alt zu sein, um so etwas wie Twitter zu verstehen. Nun gut - heute twittere ich auch dann und wann und (wie es häufig ist), im eigenen Tun erschließt sich dann auch, worin der Nutzwert von Twitter bestehen kann. Dies hat sich mir i.Ü. noch nicht bei Facebook erschlossen, aber andere Geschichte. Was aber auch feststeht: für den vermeindlichen Nutzwert ist eben auch ein Preis zu zahlen. Und der ist im Web2.0 mit einer ganz harten Währung zu entrichten: Zeit. Und hier erscheinen mir viele von den oft gepriesenen neuen Möglichkeiten sehr teuer erkauft.

Ein ebenso ungutes Gefühl wie bei Lobo überkam und überkommt mich bei den kursierenden "Did you know" - Videos, die es nun auch schon mit diversen Versionsnummern gibt. Das Prinzip ist immer das gleiche: Es werden Nutzerzahlen verschiedenster Webdieste und Webtechnologien visualisiert. Man weiß hinterher - oh, sind ja viele. Und wahrscheinlich soll man auch denken, dass viel gleich gut ist. Fand ich schon immer fragwürdig und wenig überzeugend.

Fragwürdig fand ich auch FEFEs Hinweis, dass Zensursula das neue Rammstein-Album auf den Index gesetzt habe, genauer gesagt ist der verächtliche Unterton fragwürdig. Meine Sympathie für die ehemalige Familienministerin hält sich zwar schwer in Grenzen, aber angesichts des Verbaldrecks, der in bestimmten Bereichen der aktuellen Musikszene Normalfall ist, finde ich den Vorgang ausnahmsweise nicht verwerflich. Sollte öfter passieren. Bei Laut.de wird der Sachverhalt natürlich fleißig kommentiert. Einige ständig wiederkehrende Argumente:
  • es gibt ja viel Schlimmeres, was nicht verboten wird
  • Freiheit der Kunst
  • die Zuhörer könnten die "Texte" schon richtig einordnen, ist doch alles nur Spaß
Ähnlich intelligent argumentiert auch Flake, der Keyboarder von Rammstein, in einem Bild Interview.
Das Netz ist ein perfekter Spiegel der analogen Welt: so wie in dieser die Dummheit und nicht der Geist den Ton angibt, erhält auch die Dummheit im Netz den Ihr zustehenden breiten Raum.
Und, um auf Soboczynski zurückzukommen, das Netz ist nicht demokratiefreundlich, ganz und gar nicht.

Donnerstag, 15. Oktober 2009

Hertare Zeiten ...

... für Herta Müller? Nun ja, wenn's Preise gibt, darf natürlich die Kritik auch nicht fehlen. So berichtet die ZEIT , wie Herta Müller eine Schreibwerkstatt in Berlin leitete und dort nicht eben zimperlich mit dem Nachwuchs umging.

Herta Müller teilt aus, gibt den Dieter Bohlen des Literaturseminars: "Hast du darüber mal nachgedacht, bevor du uns das zumutest?", "Du bedienst alle Klischees!" Wir bekommen so ziemlich alles zu hören, was wir eigentlich lieber nicht hören möchten.
Ich war nicht dabei, Du, geneigter Leser, wahrscheinlich auch nicht, daher lässt sich auch schlecht bewerten, ob die geäußerte Kritik angemessen war oder nicht.
Aber ich fühlte mich durchaus an meine Rolle als Lehrer erinnert: natürlich geht es als Lehrer darum, ständig Werturteile abgeben zu müssen. Und da steht eben auch die Frage, was man so sagt, wenn ein Schüler sich Mühe gegeben hat, aber das Ergebnis einfach mal total daneben ist. Irgendwie ist man ja auch dazu verdammt, noch eine Note zu geben - zumindest wollen das die meisten Schüler so. Und gerade bei "kreativen" Aufgaben im Deutschunterricht geht es mir durchaus manchmal so wie H.M. - nein, ich geben dann nicht den Bohlen, aber die Schlichtheit, die sich in einigen Ergebnissen zeigt, stimmt mich dann schon bedenklich und wirft die Frage auf: Was tun?
Ja, ich weiß, in der Schule gilt es in erster Linie Aufgabenstellungen zu finden, die den Schülern klare Muster, Regeln und Spielräume zur Verfügung stellen, innerhalb denen sie kreativ sein können.

Ich kann aber eine H.M. auch verstehen, denn eine Literaturwerkstatt ist eben keine Schule - also Zwangsgemeinschaft von Menschen, die das, was sie tun müssen eigentlich gar nicht in diesem Moment tun wollen. Und hier ist es auch grundsätzlich legitim, deutlich zu werden.

Zudem - warum haben wir das Bedürfnis, dass Künstler auch "gute Menschen" sein müssen? Beurteilen wir doch H.M.s Literatur als solche. Mir ist es egal, ob sie privat eine Kackbratze ist - übrigens nicht nur bei H.M.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Rot-Rote Experimente

Der Tagesspiegel berichtet, dass das Probejahr an den Gymnasien in Berlin nun doch nicht eingeführt werden soll. "Experten" hätten

davon abgeraten, Jugendliche in der schwierigen Phase zu Beginn der Pubertät nach einem Jahr als „gescheitert“ aus dem Gymnasium zu entfernen. Stattdessen wurde ein mehrtägiger Probeunterricht vorgeschlagen. Bei dem könnten sich die Schüler beweisen, die von ihren Grundschulen keine Gymnasialempfehlung bekommen hätten. Wer nicht überzeuge, solle gleich auf die Sekundarschule gehen.
Wir haben momentan in Berlin ein Probehalbjahr. Auch wenn mir keine Zahlen vorliegen, behaupte ich, dass der Anteil der Schüler, die dieses Probehalbjahr nicht schaffen, sehr gering ist (schätze max. 5 Prozent), was unter anderem daran liegt, dass man schon recht deutlich versagen muss, damit man der Schule verlassen muss. M.E. ist es eher erstaunlich, wer das Probehalbjahr so schafft - aber andere Geschichte.

Da gibt es also "Experten", die der Meinung sind, dass einem Schüler, der ein gesamtes Schuljahr in den Sand setzt, nicht zugemutet werden könne, die Schule zu verlassen, da das sensible Seelchen Schaden nehme.

Alternative? Klar! Zugang wird für alle erschwert! Man gedenkt

die Bedeutung des Grundschulgutachtens gegenüber dem Elternwillen aufzuwerten. Nun muss Rot-Rot die Frage beantworten, in welcher Form es diesem Vorschlag folgt. Zur Debatte steht neben einer verbindlichen Grundschulempfehlung ein strenger Numerus Clausus, eine Aufnahmeprüfung am Gymnasium und – als zusätzliche Chance – der Probeunterricht.
Ich persönlich bin nun nicht gegen eine angemessene Einstiegshürde beim Zugegang zum Gymnasium, aber man bedenke:
Die Grundschulempfehlung ist und bleibt eine subjektive Sache. An der Grundschule arbeiten eben auch Menschen, die Fehler machen können. Ausgangspunkt der Bildungsreform ist aber die unterstellte Benachteiligung bestimmter sozialer Gruppen durch die Schulstruktur. Der Zugang zum Gymnasium wurde bisher ausschließlich vom Elternwillen geregelt. Nun solle es der Lehrerwille sein. Was zugangsbeschränkender ist liegt auf der Hand.
Gesamtschulen gab und gibt es in Berlin es auch genug. Wo lag und liegt derzeit die Benachteiligung durch die Schulstruktur? Was wird jetzt besser?

Soviel zur Stimmigkeit der Entscheidungen, die die Berliner Bildungspolitiker treffen. Noch nicht einmal den eigenen Ansprüchen und Zielen wird man gerecht.

Samstag, 10. Oktober 2009

Personalkostenbudgetierung

An vielen Schulen in Berlin fehlen offensichtlich noch Lehrer. Aber, man höre und staune:
Bis November
... müsste an allen Schulen die 100-Prozent-Marke erreicht sein. Zudem könnten die Schulen über drei Prozent der Personalmittel frei verfügen, um kurzfristig auf Unterrichtsausfall reagieren zu können.
Morgenpost

Was bedeutet das aber mit den drei Prozent der Personalmittel genau?
Das bedeutet zu Beispiel, dass sich Herr Pachulke (45), in eine entsprechende Datenbank des Senats eintragen kann, wenn er sich für geeignet hält, das Fach Biologie zu unterrichten. Das bedeutet aber nicht, dass Herr Pachulke eine abgeschlossene Ausbilung als Biologielehrer haben muss. Er kann z.B. Forstwirtschaft studiert haben. Wenn er von einem Schulleiter als geeignet empfunden wird, kann eine befristete Beschäftigung erfolgen.
Nun spricht nichts gegen 45jährige Forstwirtschaftler und es mag sogar vorkommen, dass dieser temporäre Quereinsteiger seine Sache besser macht als als ein desillusionierter Studienrat (obwohl es desillusionierte Studienräte eigentlich gar nicht gibt - ist nur so ein Gedankenspiel. Nicht dass es jetzt Vorwürfe wegen diskriminierender Äußerungen Studienräten gegenüber gibt.)
Zurück zu Pachulke: der unterrichtet nun mit allen Konsequenzen - man hofft stillschweigend, dass er den Lehrplan beachtet, dass er "richtige" Noten gibt usw, denn angeleitet oder besonders kontrolliert wird er nicht - haben ja alle genug zu tun, Lehrermangel eben - ohne Lehrermangel wäre Pachulke ja gar nicht als Aushilfe eingestellt worden.
Wenn Pachulke seine Sache ganz hervorragend macht, wird dies allerdings nicht dazu führen, dass er eine Festanstellung erhält. Warum? Weil er ja kein Lehrer ist.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Pachulke seine Sache weniger gut macht ist allerdings wesentlich höher. Warum?
  1. Ich behaupte mal, dass es kaum einen Lehrer gibt, der nicht einige Jahre braucht, um "warmzulaufen".
  2. Zur Daueraushilfe verurteilt, ist es nicht möglich, sich an einer Schule "einen Stand" zu erarbeiten. Dies dauert eben auch seine Zeit.
Das Paradoxe:
Es ist also möglich, dass Nicht-Lehrer eine Klasse temporär unterrichten und benoten.
Es ist sicher auch möglich, dass ein solcher "Aushilfslehrer" dies mehrer Jahre tut (nur nicht immer an der gleich Schule).
Es ist aber nicht möglich, dass bei nachgewiesener guter Eignung eine Übernahme in den Schuldienst erfolgt.
Warum darf jemand etwas für relativ kurze Zeit (z.B. ein Schuljahr), was er für längere Zeit nicht darf?

Klar: Honorarkräfte sind billig, wesentlich billiger als festangestellte Lehrer. Die Statistik sieht dann wieder schön freundlich aus, weil Biologie ja erteilt wurde.

Samstag, 6. Juni 2009

Lunge, komm bald wieder ...

Heute war in der Berliner Zeitung ein schönes Interview mit dem Rechtsmediziner Michael Toskos zu lesen.

Das Reizvolle war nicht unbedingt die Darstellung des Geschmadders in fremder Leute Eingeweide und der regionale Unterschied von Y- , U - oder I-Schnitt bei der Leichenöffnung.
Hell-leserich wurde ich bei der Feststellung von Toskos,

Es gibt keine Raucherlunge. Die Lunge von einem, der 20, 30 Jahre lang geraucht hat, sieht genau so aus wie von einem, der sein Leben lang an der Autobahn oder in Berlin gewohnt hat. Einen Raucher erkennen Sie, wenn, dann an seinen gelben Nikotinfingern.

Wenn es einer wissen muss, dann jemand, der nach eigenen Aussagen 10 000 Obduktionen vorgenommen hat. In der aktuellen Körperwelten-Ausstellung des Gunther "Ich-seh-aus wie-Beuys" Hagen ist ja auch eine "Raucherlunge" ausgestellt.
Das ist Blödsinn, ziemlicher Nepp und Kohlemacherei.
Schön ist, wie offensichtlich wider besseres Wissens derartige Fehlinformationen "tradiert" werden. Jeder Schüler wird in seiner Schullaufbahn schon einmal ein Stück Brustschwarzfleisch bewundert haben dürfen. Nun bin ich keinesfalls ein Beführworter des Rauchens, aber warum zeigt man nicht die schwarzverklebten Brustinhalte des nichtrauchenden Großstadtbewohners, um auf die Vorteile urbaner Lebensführung hinzuweisen. Man sollte vielleicht auch Gemeinden in Brandenburg und McPomm auf dieses Mittel hinweisen, der zunehmenden Landflucht entgegen zu wirken.
Plakate mit dem Slogan "Wohnen Sie in Schwarz am See/ ist die Lunge weiß wie Schnee" könnten da Wunder wirken.

Foto: KATTØYE

Das gesunde Landleben würde in Deutschland die Sterblichkeit auf ein neues Mindestmaß senken, so dass es auch möglich wäre, mehr Verbrechen aufzuklären. Was das miteinander zu tun hat? Na, dass nicht wenige Tötungsdelikte unerkannt bleiben, ist ja kein Geheimnis. Dass daran die laxe Leichenschau nicht ganz unschuldig ist, auch nicht. Warum sich dann aber nichts ändert?

Das wird einfach nicht organisiert. Die Folge, dass wir in der Statistik plötzlich doppelt so viele Tötungsdelikte hätten wie im Vorjahr, wäre ziemlich unpopulär. Das wäre gesellschaftlich beunruhigend.
Das ist mehr als einleuchtend. Ich sehe die Pressemeldungen schon vor mir -- und das in keiner dieser Meldungen ein Zusammenhang zwischen der Ursache (hier eine gründlicher organisierte Leichenschau) und den veränderten Daten hergestellt würde.

Natürlich werden die Todesursachen auf den Totenschein nach deutscher Art auch schön statistisch ausgewertet.

Da schreibt einer Herzinfarkt, natürlicher Tod. Das wird dann im Gesundheitsamt für die Statistik erfasst. Und irgendwann wird behauptet, dass die Zahl der Herz-Kreislauf-Todesfälle um fünf Prozent gestiegen sei. In Wirklichkeit heißt das aber nur, dass fünf Prozent mehr Herzinfarkte auf dem Totenschein angegeben wurden, ohne das durch eine Obduktion zu verifizieren. Diese amtliche Todesursachenstatistik ist Blödsinn.
Aber dieser Blödsinn ist dann wieder Grundlage für Präventionsprogramme. Klar!

Eigenlich müsste jetzt der Satz von der Statistik folgen, der man nur glauben soll, wenn man ...
Ich möchte aber den Volksmund am Schluss zu Worte kommen lassen:

Statistik und Daten
sind nix für den Mann mit Spaten.
-Verband deutscher Kleingärtner und Karnickelzüchter-

Freitag, 27. März 2009

Fellow für Problemfälle

""[...] ist eine Grenzerfahrung. Es gab viele Momente, in denen ich einfach nur aufgeben wollte. Aber wenn Du durchhältst und dann plötzlich sehen kannst, wie Deine Schüler mehr und mehr verstehen – dann ist es das Größte, was Du je machen wirst!"" (Phil McComish)
....

Als Fellow stellst Du Dich einer echten Herausforderung. Gute Noten alleine reichen da nicht aus.

Wir suchen engagierte Menschen mit Persönlichkeit, die neugierig darauf sind, etwas ganz Neues zu erleben, ...
Was Du mitbringen solltest:
  • Schier endlose Energie, Enthusiasmus und Optimismus – um mit den besonderen Herausforderungen [...] jeden Tag aufs Neue umgehen und dafür nicht selten an die eigenen Grenzen – oder darüber hinaus – gehen zu können
  • Besondere Kreativität, schnelle Auffassungsgabe und Begeisterungsfähigkeit – um Dich jederzeit [...], damit Du es schaffst, sie immer wieder neu zu fesseln und mitzureißen
  • Durchhaltevermögen, Selbstdisziplin und ein dickes Fell – damit Du trotz Niederlagen (damit musst Du rechnen) Deine Ziele im Auge behältst, ...

Was sich hier liest wie die Promotion für eine Camel-Safari, findet sich auf der Internetpräsenz des Projekts Teachfirst. Allerdings gehts hier um Schule als Abenteuerspielplatz.
Die Idee: Hochschulabsolventen sollen an Problemschulen unterrichten bzw. den Unterricht dort unterstützen. Dazu absolvieren sie eine "intensive pädagogische Aus- und Weiterbildung", die immerhin 3 Monate umfasst, dann gehts ab in die Problemschule.

Bezahlt werden die Adventure-Lehrer aus der öffentlichen Hand.

Das Programm soll die Fellows gezielt auf Führungsaufgaben im Bildungssektor und in anderen Bereichen vorbereiten.

Eine gewisse Parallele zum Vorschlag von Schavan, Kräfte aus der Wirtschaft als Aushilfslehrer einzusetzen, ist unverkennbar.

Verlogene Kampagne 2

Lesenswert in diesem Zusammenhang die Ausführungen des Juristen Udo Vetter : hier wird noch einmal deutlich, wie fragwürdig die Bestrebungen aus dem Familienministerium sind.

Donnerstag, 26. März 2009

Studien und Interpretation

Im Zusammenhang mit einer Studie der Berliner Humboldt-Universität zum Beitrag des Religionsunterrichts zur interreligiösen Kompetenzbildung ist zu lesen:

Nach Einschätzung Schieders [Leiter der Studie] hat die Studie die Aussage des Berliner SP-Bildungssenators Jürgen Zöllner, dass ein konfessioneller
Religionsunterricht als gleichrangige Alternative des staatlichen Ethikpflichtfachs die Integration gefährde, "empirisch widerlegt". (Quelle)
Interessant dabei ist ja nur, dass keinerlei Aussage dazu gemacht wird (bzw. werden kann), wie sich die potenzielle Vergleichsgruppe der Schüler mit Ethikunterricht einschätzen würde. Daher ist es Augenwischerei hier von "empirisch widerlegt" zu sprechen.

Verlogene Kampagne

Jens Ferner bringt in seinem Blog die Problematik der aktuellen Debatte um die geplante Netz-Zensur, die mit dem Kampf gegen Kinderpornographie begründete wird, auf den Punkt. Gestern war dies ja u.a. Thema in der Tagesschau und da ging mir auch durch den Kopf, was bei dem Gelegenheits- oder Nicht-Nutzer des Internets für ein Bild entstehen muss.
Ferner schreibt:

[Es ist] bedenklich, dass gerade eine Bundesministerin dafür sorgt, dass die breite Öffentlichkeit glaubt, “bestimmte Webseiten” sind der Hauptumschlagsplatz für Kinderpornographische Schriften. Die Realität sieht anders aus ...
Weiterhin wird zu Recht darauf verwiesen, dass offensichtlich die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten nicht ausgenutzt werden. siehe hier

Nachdem nun der Terrorismus als Vorwand für verschärfte Kontrolle ausgedient hat, eigent sich das Thema Kinderpornographie hervorragend, um Kontrollsysteme zu etablieren, die mit Sicherheit später auch umfassender genutzt werden.

In einem Streitgespräch zum Thema stellt CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn zutreffend fest:

“Da die Server erst dann auf die BKA-Sperrlisten gelangen können, wenn sie den Ermittlern bekannt sind, gibt es keine Ausrede der Strafverfolger, nicht unmittelbar gegen die Betreiber vorzugehen. Entsprechende Anstrengungen zur internationalen Kooperation und effektiven Strafverfolgung liegen aber offenbar gerade nicht im Fokus der Politik”, sagte CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn. (netzpolitik)
Wie wahr.

Dienstag, 24. März 2009

Ideologie statt Ideen

Im Zusammenhang mit der in Berlin anstehenden Schulreform geht mir immer öfter die Frage durch den Kopf, warum wider besseren Wissens Aktionismus betrieben wird, der an den eigentlichn Problemen nichts ändern wird. Auch den Umstand, dass die linken Bildungspolitiker das Gymnasium am liebsten abschaffen würden, finde ich mehr als absurd - die Schulform, die am besten funktioniert, würde man am liebsten beseitigen, damit es keine "bessere" Schule gibt. Wie verlogen der ganze Begründungszusammenhang dieser Diskussion ist, war schon bei norberto42 vor längerer Zeit zu lesen:

„Beispiele in Finnland zeigen, dass ein längere gemeinsame Schulzeit zu guten Ergebnissen führen kann...“ (SZ 24. Nov. 2008) - hier liegt die Lüge offen: Wer oder was führt zu guten Ergebnissen? Ist die längere Schulzeit ein Grund oder eine Bedingung dieser guten Ergebnisse? Nein, das ist nicht erwiesen: Es gibt eine andere Organisationsform, und es gibt gute Ergebnisse, aber gibt es die Ergebnisse wirklich wegen der Organisationsform? Es wird jedoch suggeriert, das sei so; in der Philosophie ist dieser Fehlschluss seit Jahrhunderten bekannt - aber die Schulpolitiker sind ebenso wie progressive Journalisten gegen bekannte Einsichten völlig immun. Sie beten vor, die Leute beten nach, alle waren gut, Gerechtigkeit muss ein... rhabarber, rhabarber. Amen (t.p. Alleluja). norberto42

Ebenso "erfreulich" sind die Vorstellungen der Linken zur Leistungsdifferenzierung an den geplanten Sekundarschulen:

Die Sekundarschulen sollen aus der Fusion von Haupt- und Realschulen und aus Gesamtschulen hervorgehen. Die Linke will nun im gemeinsamen rot-roten Koalitionsantrag festgeschrieben haben, dass die "äußere Leistungsdifferenzierung" an diesen neuen Schulen zu überwinden sei. Das heißt, es soll dort mittelfristig keine speziellen Kurse für gute oder schlechtere Schüler mehr geben. Dadurch würden statistisch gesehen Lehrerkapazitäten frei. Berliner Zeitung
Vielleicht ist die gesamte Schulreform ja wirklich nur ein großes Sparprogramm: Hauptschule und Förderschule sind bekanntermaßen teuer. Die Frage ist, was schlimmer ist: ein heimliches Sparprogramm oder ideologisch begründete Fehlentscheidungen.

Freitag, 20. März 2009

Tag der Freiheit??

Die Kampagne "Pro Reli" hat die Freiheit für sich entdeckt. Das ganze Elend lässt sich hier anschauen: Christoph Lehmann, Vorsitzender der Initiative Pro Reli e.V, stellt die Kampagne in einen wahrhaft glorreichen Kontext: die ersten freien Volkskammerwahlen in der DDR, das weltoffene Berlin -> eben die Freiheit. Und nur dieser fühle man sich verpflichtet. Daher bezeichnet man den Abstimmungstermin 26. April als "Tag der Freiheit". Man vorenthalte, so Lehmann, den Berliner Schülerinnen momentan ein Freiheitsrecht: nähmlich zwischen Ethik und Religion wählen zu dürfen. Wäre es nicht auch ein Freiheitsrecht zwischen Mathe und Kunst wählen zu dürfen? Der Religionsunterricht ist durch die Einführung von Ethik in seiner Eingliederung in die Berliner Schule nicht verändert worden - er war immer ein fakultatives Angebot. Sollte die Kampagne erfolgreich sein, wäre Religion besser gestellt als vorher. Will man das? Nein!

Auch wenn es in anderen Bundesländern (noch) so ist, dass Religon ein "ordentliches Lehrfach" ist: Religion im Sinne eines konfessionell ausgerichteten Unterrichts hat nichts an der allgemeinbildenden Schule zu suchen. Die Trennung von Staat und Religion sollte nicht in der Schule aufgegeben werden. Religion stellt per se eine Einschränkung der Freiheit dar - nämlich der Freiheit des Denkens.

Sonntag, 15. März 2009

Verkommene Medien

Es ist wenig überraschend, aber trotzdem erschreckend, wie einfallslos Medien und Politik auf den Amoklauf von Winnenden reagieren. Wie zu erwarten bricht jetzt wieder die leidliche Debatte um "Killerspiele" aus, so fordert CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident Horst Seehofer ein Verbot und er ist sicher nicht der einzige. Spiegel-Online macht gleich einen ganz wilden Mix in einem Artikel auf, in dem die Debatte um den Kampf gegen Kinderpornographie gleich in einem Atemzug mit den Ereignissen von Winneden genannt wird - zum Glück hat man ja auch Pornos auf dem Rechner des Täters gefunden, Kinderpornos aber offensichtlich nicht, ist ja auch egal.

Gerade in dem aktuellen Fall, wo man ganz offensichtlich nicht mit "normalen" Erklärungsmustern weiterkommt, wird deutlich, wie verkommen die Berichterstattung in den Medien und die Reaktion der Politik ist

Merkel sagte, man dürfe nicht nur mit der Freiheit des Internets argumentieren. "Ich gehöre, ehrlich gesagt, zu denen, die immer wieder überlegen: Kann man nicht doch etwas tun?" Ganz verhindern werde man solche Amokläufe nie können, sagte Merkel. "Aber wachsam sein ist mit Sicherheit eine Lehre aus dem schrecklichen Ereignis. (Quelle:Spiegel-Online)
Was die Freiheit des Internets mit dem Amoklauf zu tun hat, weiß Gott allein, aber warum schreibt man so ein Zeug?
Der Fall Tauss und der Amoklauf lassen sich in der aktuellen Diskussion um Netzsperrren vertrefflich nutzen.

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Nachtrag:
Poetischer Kommentar zum Thema von der Lyrischen Blogfront



Freitag, 13. März 2009

Paul Plamper - Ausgezeichnetes zum Hören

Mal eine schöne Nachricht: Paul Plamper hat den Hörspielpreis der Kriegsblinden für sein Hörspiel „Ruhe 1“ erhalten. Ich kenne zwar das ausgezeichnete Hörspiel nicht, allerdings sind im bisherigen Plamperschen Schaffen schon einige Perlen der akustischen Kunst zu finden, die vor allem Spaß machen. „TOP HIT leicht gemacht“ - der schnelle Weg zum Nummer-Eins-Hit, ein pseudodokumentarisches Produktionstagebuch oder Henry Silber geht zu Ende“, eine fiktive Künstlerbiographie, kann ich nur wärmstens empfehlen. Und nicht zu vergessen „Kantomias Rettet die Welt – Der Angriff der Klonkrüger“ eine aberwitzige Geschichte um den Anti-Superheld Kantomias. Wie auch in den anderen Hörspielen wird auch hier die Welt der poulären Musik thematisiert – mit all ihren Abgründen.




Dienstag, 10. März 2009

Politisch korrekte Sprachforschung

An der Berliner Freien Universität gibt's ein Projekt "Jugendsprache", welches sich (wie der Titel schon verrät) mit ebendieser auseinandersetzt. Weil es vielversprechend kling, gab es dafür auch schon einen Preis. Am Samstag gab es dazu auf Radioeins ein Interview mit Viktoria Viererbe, die wohl auch etwas mit dem Projekt zu tun hat. Mal davon abgesehen, dass die Äußerungen inhaltlich eher wenig überraschend waren, es wurden doch eher Allgemeinplätze erzählt (aber vielleicht dient Forschung ja auch dazu, dass das, was man sowieso schon weiß, noch mal bestätigt wird) - also abgesehen davon war es interessant zu hören, wie Frau Viererbe doch ins Stocken kam, als nachgefragt wurde, ob denn jungendsprachliche Ausdrücke (und vor allem auch die vorher genannten) eher in unteren Schichten anzutreffen sind. Frau Viererbe "befürwortet" dies nicht und druckst dann recht rum - hier zum Nachhören (bei 3:20 die betreffende Stelle)

Schulreform Berlin

Was sich momentan in der Berliner Schulpolitik abzeichnet ist wenig erfreulich. Den Grundgedanken des ganzen Projekts kann man so zusammenfassen: es gibt Probleme, also ändern wir mal die Schulstruktur. Eines der drängenden Probleme ist die seit Pisa behaupte Benachteiligung sozial Schwacher und Kindern mit Migrationshintergrund. Diesen sei der Zugang zur Bildung erschwert, wohlgemerkt durch die Struktur der Berliner Schule. Also müsse man das dreigliedrige Schulsystem abschaffen. (interessant der Beitrag der "Zeit" im Kontext dieser ideologisch geführten Debatte)
Welche Hürden gilt es momentan zu nehmen, um das Abitur abzulegen? Man muss erstens aufs Gymnasium kommen. Darüber entscheidet derzeit in erster Linie der Elternwille, auch Kinder mit einer Hauptschulempfehlung können von ihren Eltern aufs Gymnasium geschickt werden. Nun gilt es das Probehalbjahr zu schaffen: aber wer DAS nicht schafft, der gehört mit Verlaub gesagt auch nicht aufs Gymnasium. Die Schulen haben derzeit also ein Schulhalbjahr Zeit, die Eignung des Schülers zu testen. Wo bei dem bisherigen Verfahren Zugangshürden für die oben genannten Gruppen bestehen, kann ich nicht erkennen.
Wie soll es denn in Zukunft sein: Es steht noch nicht alles fest, aber es sieht wohl so aus, dass der Elternwille an Bedeutung verliert. Die Noten des Grundschulzeugnisses sollen an Bedeutung gewinnen. Beseitigung der angeblichen Benachteiligung? Fehlanzeige. Da Benotung bekanntermaßen auch nicht eben ein objektiver Vorgang ist, wird diskutiert, ob es Probeunterricht an den Gymnasien geben soll. Was eine genauere Beurteilung der Eignung eines Schülers ermöglicht, Probeunterricht oder Probehalbjahr, liegt auf der Hand. Bis hierher ist auch keinerlei Zugangserleichterung für die "Problemgruppen" zum Gymnasium erkennbar. Wo kommt die her? Ah, Sozialquote - wohl der größte Unsinn der aus linken Kreisen zur Bildungspolitik geäußert wurde und wird. Dass sich die Politiker dafür nicht schämen, ist bedenklich. Überall, wo man nicht weiterkommt, wird eben mal eine Quote eingeführt. In diesem Falle stellt man sich das so vor, dass ein bestimmter Prozentsatz an Schülern eines Gymnasiums eben Migrationshintergrund haben soll bzw. aus HartzIV-Haushalten kommt. Woher die auf einmal kommen sollen, ist unklar. Also versucht man den Nicht-Gedanken dadurch zu retten, dass man eine "Umverteilung" der Schüler anstrebt. Plakativ gesagt: ein Austausch zwischen Zehlendorf und Neukölln. Was daurch besser werden soll, versteht wahrscheinlich nur ein linker oder grüner Bildungspolitiker.
Ja, es ist richtig - es sind mehr Eltern aus Akademikerhaushalten, die ihre Kinder zum Gymnasium schicken, auch wenn diese keine entsprechende Empfehlung haben. Aber ist der Grund dafür die momentane Organisationsform der Schule?

Kommen wir zum Ausgangspunkt zurück - Veränderung der Schulstruktur mit dem Ziel der Beseitigung von "Benachteiligungen". Neben dem Gymnasium soll es in Zukunft nur noch die Sekundarschule geben mit der Sonderform Gemeinschaftsschule. Die Sekundarschule ist durchaus mit der bisherigen Gesamtschule vergleichbar: es lassen sich alle Abschlüsse bis zum Abitur erreichen. Interessanter Weise ist es in der bisherigen Diskussion recht ruhig um die Qualität der Gesamtschulen gewesen. Warum? Weil die Idee des gemeinsamen Lernens von Schülern unterschiedlichen Leistungsfähigkeit nur bedingt positive Resultate zu Tage bringt. Der Anteil von Schülern mit Gymnasialempfehlung ist an den meisten Gesamtschulen weit von den angestebten 30% entfernt. Und es findet in der Unterrichtspraxis eben eher die Nivellierung nach unten statt. Zu bewunden sind die Schüler, aus denen trotz Gesamtschule noch was wird, die ihre Leistungsbereitschaft behalten und ein gutes Abitur ablegen.

Es gibt m.E. keinerlei Grund, davon auszugehen, dass sich durch die geplante Strukturreform irgend etwas zum Besseren verändert. Denn eines ist auch klar: im Schulsystem arbeiten Menschen. Und diese erledigen ihre Arbeit mit unterschiedlicher Qualität. Es ändert sich aber durch die Schulreform die Schule von innen nicht: Lehrer und Schüler bleiben, und zwar die gleichen. Es wird aber so getan, als ob nach einer Reform alles zu 100 Prozent umgesetzt würde. Wenn Schule momentan so funktionieren würde, wie sie gedacht ist, häten wir die derzeitigen Probleme nicht. Denn ich behaupte, schlecht an der Schule ist nicht das derzeitige Konzept, sondern dessen Umsetzung. Und gibt es keinen vernünftigen Grund, warum ein anderes Konzept plötzlich besser umgesetzt werden soll. Hier lügt sich die Bildungspolitik in die Taschen, dass es eine Art hat.
Ja, es gibt Probleme in der Berliner Schule. Ja, die Qualität der Schule ist verbesserungswürdig. Aber effektive Maßnahmen wie die deutlich Sekung der Schülerfrequenzen in den Klassen kosten Geld - und äußere Kosemtik ist wahrscheinlich immer noch deutlich billiger als eine gründliche Renovierung des Systems von innen - mit Sachverstand.