Donnerstag, 15. Oktober 2009

Hertare Zeiten ...

... für Herta Müller? Nun ja, wenn's Preise gibt, darf natürlich die Kritik auch nicht fehlen. So berichtet die ZEIT , wie Herta Müller eine Schreibwerkstatt in Berlin leitete und dort nicht eben zimperlich mit dem Nachwuchs umging.

Herta Müller teilt aus, gibt den Dieter Bohlen des Literaturseminars: "Hast du darüber mal nachgedacht, bevor du uns das zumutest?", "Du bedienst alle Klischees!" Wir bekommen so ziemlich alles zu hören, was wir eigentlich lieber nicht hören möchten.
Ich war nicht dabei, Du, geneigter Leser, wahrscheinlich auch nicht, daher lässt sich auch schlecht bewerten, ob die geäußerte Kritik angemessen war oder nicht.
Aber ich fühlte mich durchaus an meine Rolle als Lehrer erinnert: natürlich geht es als Lehrer darum, ständig Werturteile abgeben zu müssen. Und da steht eben auch die Frage, was man so sagt, wenn ein Schüler sich Mühe gegeben hat, aber das Ergebnis einfach mal total daneben ist. Irgendwie ist man ja auch dazu verdammt, noch eine Note zu geben - zumindest wollen das die meisten Schüler so. Und gerade bei "kreativen" Aufgaben im Deutschunterricht geht es mir durchaus manchmal so wie H.M. - nein, ich geben dann nicht den Bohlen, aber die Schlichtheit, die sich in einigen Ergebnissen zeigt, stimmt mich dann schon bedenklich und wirft die Frage auf: Was tun?
Ja, ich weiß, in der Schule gilt es in erster Linie Aufgabenstellungen zu finden, die den Schülern klare Muster, Regeln und Spielräume zur Verfügung stellen, innerhalb denen sie kreativ sein können.

Ich kann aber eine H.M. auch verstehen, denn eine Literaturwerkstatt ist eben keine Schule - also Zwangsgemeinschaft von Menschen, die das, was sie tun müssen eigentlich gar nicht in diesem Moment tun wollen. Und hier ist es auch grundsätzlich legitim, deutlich zu werden.

Zudem - warum haben wir das Bedürfnis, dass Künstler auch "gute Menschen" sein müssen? Beurteilen wir doch H.M.s Literatur als solche. Mir ist es egal, ob sie privat eine Kackbratze ist - übrigens nicht nur bei H.M.

Sonntag, 11. Oktober 2009

Rot-Rote Experimente

Der Tagesspiegel berichtet, dass das Probejahr an den Gymnasien in Berlin nun doch nicht eingeführt werden soll. "Experten" hätten

davon abgeraten, Jugendliche in der schwierigen Phase zu Beginn der Pubertät nach einem Jahr als „gescheitert“ aus dem Gymnasium zu entfernen. Stattdessen wurde ein mehrtägiger Probeunterricht vorgeschlagen. Bei dem könnten sich die Schüler beweisen, die von ihren Grundschulen keine Gymnasialempfehlung bekommen hätten. Wer nicht überzeuge, solle gleich auf die Sekundarschule gehen.
Wir haben momentan in Berlin ein Probehalbjahr. Auch wenn mir keine Zahlen vorliegen, behaupte ich, dass der Anteil der Schüler, die dieses Probehalbjahr nicht schaffen, sehr gering ist (schätze max. 5 Prozent), was unter anderem daran liegt, dass man schon recht deutlich versagen muss, damit man der Schule verlassen muss. M.E. ist es eher erstaunlich, wer das Probehalbjahr so schafft - aber andere Geschichte.

Da gibt es also "Experten", die der Meinung sind, dass einem Schüler, der ein gesamtes Schuljahr in den Sand setzt, nicht zugemutet werden könne, die Schule zu verlassen, da das sensible Seelchen Schaden nehme.

Alternative? Klar! Zugang wird für alle erschwert! Man gedenkt

die Bedeutung des Grundschulgutachtens gegenüber dem Elternwillen aufzuwerten. Nun muss Rot-Rot die Frage beantworten, in welcher Form es diesem Vorschlag folgt. Zur Debatte steht neben einer verbindlichen Grundschulempfehlung ein strenger Numerus Clausus, eine Aufnahmeprüfung am Gymnasium und – als zusätzliche Chance – der Probeunterricht.
Ich persönlich bin nun nicht gegen eine angemessene Einstiegshürde beim Zugegang zum Gymnasium, aber man bedenke:
Die Grundschulempfehlung ist und bleibt eine subjektive Sache. An der Grundschule arbeiten eben auch Menschen, die Fehler machen können. Ausgangspunkt der Bildungsreform ist aber die unterstellte Benachteiligung bestimmter sozialer Gruppen durch die Schulstruktur. Der Zugang zum Gymnasium wurde bisher ausschließlich vom Elternwillen geregelt. Nun solle es der Lehrerwille sein. Was zugangsbeschränkender ist liegt auf der Hand.
Gesamtschulen gab und gibt es in Berlin es auch genug. Wo lag und liegt derzeit die Benachteiligung durch die Schulstruktur? Was wird jetzt besser?

Soviel zur Stimmigkeit der Entscheidungen, die die Berliner Bildungspolitiker treffen. Noch nicht einmal den eigenen Ansprüchen und Zielen wird man gerecht.

Samstag, 10. Oktober 2009

Personalkostenbudgetierung

An vielen Schulen in Berlin fehlen offensichtlich noch Lehrer. Aber, man höre und staune:
Bis November
... müsste an allen Schulen die 100-Prozent-Marke erreicht sein. Zudem könnten die Schulen über drei Prozent der Personalmittel frei verfügen, um kurzfristig auf Unterrichtsausfall reagieren zu können.
Morgenpost

Was bedeutet das aber mit den drei Prozent der Personalmittel genau?
Das bedeutet zu Beispiel, dass sich Herr Pachulke (45), in eine entsprechende Datenbank des Senats eintragen kann, wenn er sich für geeignet hält, das Fach Biologie zu unterrichten. Das bedeutet aber nicht, dass Herr Pachulke eine abgeschlossene Ausbilung als Biologielehrer haben muss. Er kann z.B. Forstwirtschaft studiert haben. Wenn er von einem Schulleiter als geeignet empfunden wird, kann eine befristete Beschäftigung erfolgen.
Nun spricht nichts gegen 45jährige Forstwirtschaftler und es mag sogar vorkommen, dass dieser temporäre Quereinsteiger seine Sache besser macht als als ein desillusionierter Studienrat (obwohl es desillusionierte Studienräte eigentlich gar nicht gibt - ist nur so ein Gedankenspiel. Nicht dass es jetzt Vorwürfe wegen diskriminierender Äußerungen Studienräten gegenüber gibt.)
Zurück zu Pachulke: der unterrichtet nun mit allen Konsequenzen - man hofft stillschweigend, dass er den Lehrplan beachtet, dass er "richtige" Noten gibt usw, denn angeleitet oder besonders kontrolliert wird er nicht - haben ja alle genug zu tun, Lehrermangel eben - ohne Lehrermangel wäre Pachulke ja gar nicht als Aushilfe eingestellt worden.
Wenn Pachulke seine Sache ganz hervorragend macht, wird dies allerdings nicht dazu führen, dass er eine Festanstellung erhält. Warum? Weil er ja kein Lehrer ist.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Pachulke seine Sache weniger gut macht ist allerdings wesentlich höher. Warum?
  1. Ich behaupte mal, dass es kaum einen Lehrer gibt, der nicht einige Jahre braucht, um "warmzulaufen".
  2. Zur Daueraushilfe verurteilt, ist es nicht möglich, sich an einer Schule "einen Stand" zu erarbeiten. Dies dauert eben auch seine Zeit.
Das Paradoxe:
Es ist also möglich, dass Nicht-Lehrer eine Klasse temporär unterrichten und benoten.
Es ist sicher auch möglich, dass ein solcher "Aushilfslehrer" dies mehrer Jahre tut (nur nicht immer an der gleich Schule).
Es ist aber nicht möglich, dass bei nachgewiesener guter Eignung eine Übernahme in den Schuldienst erfolgt.
Warum darf jemand etwas für relativ kurze Zeit (z.B. ein Schuljahr), was er für längere Zeit nicht darf?

Klar: Honorarkräfte sind billig, wesentlich billiger als festangestellte Lehrer. Die Statistik sieht dann wieder schön freundlich aus, weil Biologie ja erteilt wurde.