Donnerstag, 7. Januar 2010

Gelesen: Der Junge im gestreiften Pyjama

Das Buch empfohlen bekommen. Zu Weihnachten der Tochter geschenkt. Selbst gelesen. Schwer enttäuscht.

Wer den Inhalt nicht kennt: hier

Der Roman krankt daran, dass wegen der Grundidee (Nichtwissen -> verfremdender Blickwinkel auf historische Ereignisse) die ganze Figur des achtjährigen Protagonisten "verbogen" wird. Man hat es mit einer Figur zu tun, die sprachlich und geistig recht wendig ist, aber auf alle direkt auf das Lager bezogenen Sachverhalte naiv reagiert wie ein Fünfjähriger.
In gewissem Sinne wird auch die Figur des Shmuel ebenso verbogen, da dieser in den Dialogen mit seinem "Freund" auch ständig um den heißen Brei herumreden muss, der Autor erlaubt's ihm nicht anders.
Die Dialoge erinnern daher auch an schlechte Filmdialoge, bei denen jeder Zuschauer merkt, dass die Figuren gerade „so reden müssen“, da beispielsweise bestimmte Hintergrundinfos notwendig sind – wer öfter Tatort schaut, weiß, was ich meine.
Für einen erwachsenen Leser ist diese Perspektive des Romans ehrlich gesagt schwer zu ertragen - nicht wegen des schrecklichen historischen Hintergrunds, sondern weil das bemühte partielle Verschweigen (Auschwitz, Führer, Jude) den Erzählfluss stört, es knirscht an allen Ecken.

Vor allem ist dies m.E. völlig unnötig: Die Ausgangssituation, die Geschehnisse aus Sicht des Sohnes des Lagerkommandanten zu erzählen ist gut und eröffnet viele Möglichkeiten - auch ohne dass man den Protagonisten und seinen Freund zur absurden Kommunikation verurteilt.
Dazu passt übrigens, dass der der Verlag im Klappentext keine Angaben zum Inhalt macht, um ... ja warum, einen Überraschungseffekt gibt es eben nicht, will sagen es stellen sich keine Erkenntnisse ein, wenn man bein Lesen noch nicht weiß, welche historische Situation hier dargestellt wird. Zudem erfasst der wissende Leser eben sehr schnell, auch ohne Klappentext und Feuilletonempfehlung, worum es geht - dem nichtwissenden wird es sich gar nicht erschließen.

Klar – dies ist kein Roman für Erwachsene, will er auch nicht sein, aber ein gutes Kinder- und Jugendbuch?
Die durchweg unglaubwürdige Figurenzeichnung in einem Roman, der ganz konkrete historische Ereignisse darstellt, finde ich auch für ein Jugendbuch absolut fehl am Platz.
Kinder bzw.Jugendliche, die keinerlei Hintergrundinformationen über den Holocaust haben, erfahren kaum etwas darüber. Gut – es werden u.U. Fragen aufgeworfen, die in Gesprächen mit Eltern und Freunden geklärt werden müssen. Ja, das ist auch etwas. Das Buch lässt sich daher unter diesem Gesichtspunkt auch ganz gut in der Schule missbrauchen.

Für mich daher erstaunlich die fast durchweg positive Resonanz.

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