Zu meinem
Blogpost über den Bericht einer Honorarkraft an einer Berliner Schule twittert der
Pisaversteher :
Blog /via // liest Blog so: lasst die Schulen um Himmels willen so wie sie sind! No, we can not!
Interessant ist, dass aus meiner Kritik an der Schulstrukturreform, wie sie gerade in Berlin stattfindet, gleich gemacht wird, ich wolle Schule so lassen, wie sie ist. DIESE Schlussfolgerung kann ich nicht verstehen, da ich an keiner Stelle des Beitrags - und auch nicht an anderer Stelle - behauptet habe, dass kein Veränderungsbedarf in der Schullandschaft bestehe. Denn dass Schule größten Veränderungsbedarf hat, sehe ich sehr wohl.
Aber ich bin der Meinung,
dass Schulstruktur überbewertet wird.
Das findet Sabine Czerny nicht so:
@ "Schulstruktur wird überbewertet" - das sagt ihr, weil ihr nicht wisst, was in den untersten Klassen los ist
denn:
@ wenn 27 Kinder um wenige Plätze auf weiterführenden Schulen kämpfen müssen, wird gekämpft und nicht freud- und sinnvoll gelernt
Ich kann jetzt nur von Berlin sprechen (und eben dort wird eine Schulstrukturreform vollzogen): Ich habe nicht das Gefühl, dass in dieser Stadt um "wenige" Plätze an weiterführenden Schulen (sind Gymnasien gemeint??) gekämpft werden muss. Es ist mir auch nicht bekannt, dass Schüler, die ein Gymnasium besuchen wollen, keinen Zugang zu dieser Schulform erhalten. Selbst Schüler mit Hauptschulempfehlung konnten bisher nach der Grundschule auf das Gymnasium wechseln. Der Elternwunsch stand an erster Stelle, die Grundschulempfehlung war eben nur eine Empfehlung. Es ist daher in dieser Situation völliger Unsinn, davon zu reden, dass hier ein "Kampf" um einen Schulplatz stattfindet. Kann sein, dass dies in anderen Bundesländern anders ist.
Ja - es ist so, dass es Gymnasien gibt, die einen besseren Ruf haben, als andere. Hier beginnt durchaus ein Kampf darum, einen Platz zu ergattern. Hat aber nichts mit Struktur zu tun. Offensichtlich gibt es wohl "gute" und "schlechte" Schulen des gleichen Schultyps. Das wird sich auch nicht ändern, wenn es nur Sekundarschulen gäbe.
Warum ich kein Freund der Schulstrukturreform bin?
Die Änderung der Struktur ändert nicht die Menschen innerhalb des Systems. Daher halte ich die Behauptung, Änderung der Struktur führe zu einer besseren Schule für verlogen - oder naiv.
Die Schulstrukturänderung wird innerhalb der Schulen in den nächsten Jahren Ressourcen der Lehrer "fressen", die besser in Verbesserung der Unterrichtsqualität investiert wären.
Warum sind denn die bisherigen Gesamtschulen de facto nicht die Vorzeigeschulen?
Die linke Schulpolitik hätte ja in Berlin am liebsten das Gymnasium ganz abgeschafft und durch die Sekundarschule ersetzt. Das würde allerdings bedeuten, dass eine Schulform, die bei aller berechtigten Kritik an überkommenen Lehrmethoden etc. ihren Auftrag noch am besten erfüllt, abgeschafft und durch einen Versuch mit unklarem Ausgang ersetzt wird. Warum gab und gibt es denn keinen Run auf die bisherigen Gesamtschulen? Nur weil es das Gymnasium "gibt"? Warum konnte dieses Modell nicht attraktiver werden als das Gymnasium? Ich erkenne in der Sekundarschule grundsätzlich keine andere "Idee" als das Gesamtschulmodell. Und die Gesamtschullehrer sind in den 70er und 80er Jahren durchaus überzeugt und entsprechend engagiert an die Umsetzung der Idee des gemeinsamen Lernens gegangen. Warum ist dies gescheitert? Natürlich, es gibt (auch in Berlin) Gesamtschulen mit einem sehr guten Ruf (die also offensichtlich funktionieren), die weit höhere Anmeldezahlen haben, als sie Schüler aufnehmen können. Aber hat dies etwas mit der Schulform zu tun - nein.
Die Rahmenbedingungen von Schule haben sich in den letzten Jahren kontinuierlich verschlechtert: Wochenarbeitszeit der Lehrer, Klassengrößen, Personalausstattung etc. Allein die Gebäude nicht weniger Schulen sind die Visitenkarte für den Stellenwert, der Bildung zugemessen wird.
Man kann zumindest sagen, dass der Bildungsbereich nicht unbedingt vom Füllhorn des Finazministers bedacht wird. Ja - Geld ist nicht alles und löst alleine auch keine Problem, aber ohne geht es eben auch nicht. Die Schulpolitik möchte aber möglichst kostenneutrale Lösungen: und die Veränderung der Schulstruktur ist sicher vergleichsweise "billig" zu haben. Beispielsweise sind dann große Schulen (6 bis 8zügig) der Normalfall: in einer kleinen Schule, die vielleicht nur zwei oder dreizügig läuft, kann man natürlich nicht so viele tolle vielfältige Angebote machen (so die offizielle Begründung). Daher wird es in Berlin u.a. zu nicht wenigen Schulfusionen kommen. Wer allerdings schon einmal an einer kleinen Schule gearbeitet hat (egal welchen Schultyps), wird die Vorzüge zu schätzen wissen. Gerade auch für die "Problemschüler". Aber kleine Schulen sind natürlich teurer als große.
Schulstruktur wird überbewertet.
Was eine "gute" Schule ausmacht, hängt nicht zwingend mit ihrer Organisationsform zusammen - auch nicht das ganze System betreffend.
Entscheidend ist der "Geist", der dahintersteht. Diesen zu ändern ist eine große Aufgabe. Und ich vermutet auch, dass für den Pisaversteher ein neuer Geist von Schule mit einer anderen Schulstuktur untrennbar verbunden ist. Aber dass sich "Geist" durch Strukturänderung beeinflussen lässt, halte ich für Pisa-Poesie.